So weit die Rotorblätter tragen

Von einem Piloten mit einer ungestillten Wissensgier und von roten Vögeln mit rund 1000 PS, die das Oberwallis sicher machen.

Vom Boden in die Luft

Hier im Oberwallis, zwischen imposanten Viertausendern, fliegt Gerold Biner durch die dritte Dimension. Das kleine, aber berühmte Dorf Zermatt mit der frischen Bergluft – Gerolds Heimat – ist immer mit an Bord. Als Scheibenputzer bei Air Zermatt angefangen, kletterte Gerold die Leiter hoch bis zum CEO der heute 52-jährigen Firma mit über 70 festen Mitarbeitenden und mehr als 60 Freelancern. Wir treffen Gerold auf der Basisstation der Air Zermatt in Raron. Schnell fällt auf: Vom Office bis zur Werkstatt und mit den Piloten in der Luft – hier wird viel, aber genau kommuniziert.

Während unserer Autofahrt zum Hangar in Zermatt erzählt uns Gerold von seiner Leidenschaft und davon, was das Wallis und seine Bewohner so besonders macht. Der Walliser sei hart, aber herzlich. Im Dorfkern von Zermatt laufe man sich über den Weg, meistens in Wanderschuhen, am Abend treffe man sich auf ein gemeinsames Bier. Auch einem reichen Gast werde, wie Gerold es so schön ausdrückt, «mol d’Kuttle putzt.» Er meint damit ein ehrliches, aber freundliches Feedback. So nah sich die Zermatter auch stehen – Weltoffenheit ist eine Tugend, die in ihrer Kultur einen festen Platz hat. So kommt es auch, dass sich Gerold und sein Team der Air Zermatt in Sachen professioneller Mobilität am Boden rund um das autofreie Zermatt voll und ganz auf Hertz als Partner verlassen. In Zermatt angekommen, eröffnet sich uns nach dem Aufzug mit dem Lift die Pforte zur Heliwelt: Wir betreten den Landeplatz der Air Zermatt – das Matterhorn und die roten Maschinen sind zum Greifen nahe.

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Gerold Biner, 56, ist Pilot und CEO der Air Zermatt. Ob in der Walliser Bergwelt oder im Himalaya – er ist überall zuhause, wenn er im Helikopter sitzt.
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Die Balance zwischen Rettungsflügen, waghalsigen Manövern und dem Familienleben ist nicht immer einfach.

Pioniere und Wegbereiter

So selbstverständlich es heute auch scheint, lange war nicht klar, ob Gerold dereinst als Pilot abheben würde. Mit mittlerweile über 15’000 Flugstunden im Rucksack erzählt er uns von seinem Bubentraum. Im zarten Alter von sechs Jahren bestaunte Gerold das erste Mal einen Helikopter mitten in der Walliser Berglandschaft. An den starken Wind und die lärmenden Motorengeräusche kann er sich noch gut erinnern, als in Zermatt ein Helikopter des Typs Sikorsky zum Rettungseinsatz nach einer Explosion in einem Einkaufsladen einflog.

Auch die imposante Erscheinung des deutschen Piloten Sigi Stangier, der mit Wings-bestücktem blauen Hut auf dem Velo durch Zermatt kurvte, hatte es Gerold und seinen Freunden besonders angetan. Sigi war der zweite Pilot der damals noch in den Kinderschuhen steckenden Air Zermatt und lebte vis à vis von Gerolds Elternhaus. «Er war der Held des Dorfes und hatte mehr Ansehen als der Pfarrer und der Gemeindepräsident», meint Gerold lachend. Als der Heliport von Air Zermatt 1973 eröffnete, wachten dieAugen des kleinen Gerold über den roten Maschinen. Wenn immer möglich stand er am Zaun und wartete darauf, das Starten und Landen der Maschinen mitzuerleben. Als ihn Sigi eines Tages dort entdeckte, wurde sein Traum wahr: Er durfte in den Hangar und mit der Lama SA 315, einer heute noch fliegenden Maschine, in die Höhe steigen.

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Für Gerold war ab diesem Moment klar, dass er selbst einmal einen solchen Heli fliegen würde. Die grossen Pionierarbeiten, wie die Rettungen an der Eiger Nordwand von 1971, waren damals bereits vollbracht, der Bedarf für eine solche Einrichtung mit geschultem Personal also offensichtlich vorhanden. Als junger Schweizer war die Möglichkeit, eine Pilotenausbildung zu absolvieren, zu jener Zeit aber trotzdem eher klein. Obwohl für Gerold auch eine Karriere im Spitzensport offenstand, entschied er sich doch dazu, seinem Traum treu zu bleiben und begann als junger Mann auf dem Militärflugplatz in Sion eine Lehre zum Mechaniker. «Ich hatte den nötigen Biss und habe mich nicht beirren lassen», erklärt er in seinem herzlichen Walliser-Dialekt. Nicht mal 20-jährig fing Gerold dann 1983 bei der Air Zermatt als «Scheibenputzer» an. Für die Pilotenlizenz verliess der Bergjunge später für einige Zeit seine Heimat und tauschte die Aussicht auf das Matterhorn gegen die unendlichen Weiten von Kanada ein. Eine kostspielige Investition, und eine Zeit der Unsicherheit, ob er als Pilot mit wenig Erfahrung überhaupt eine Anstellung finden würde. Beat Perren, der Gründer der Air Zermatt, war es schliesslich, welcher dem etwas blauäugigen, aber sehr ambitionierten Burschen die Chance gab, die kaum ein anderer Schweizer erhielt. Und so nahmen die Dinge ihren Lauf – bis zur heutigen Tätigkeit als CEO.

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Das Geheimnis der Air Zermatt

Den Spirit der Air Zermatt hat Gerold schon als junger Mechaniker miterlebt. Und er pflegt ihn heute als CEO bewusst weiter. Von Anfang an hat man sich in internationalen Gremien der Flug- und Bergrettung engagiert, um von anderen zu lernen. Oder wie es Gerold mit einem kanadischen Sprichwort ausdrückt: «Learn from mistakes of others. You will not live long enough to make them all yourself.» Immer ambitioniert, etwas zu verbessern und zu verfeinern, hat sich die Air Zermatt weltweit einen Namen und Respekt erarbeitet und die Bergrettung auf ein neues Level gehoben.

So wurde die Air Zermatt auch bei komplexen Bergrettungen, die weltweit für Aufsehen sorgten, angefragt. 2005 war der slowenische Alpinist Tomaž Humar in Pakistan im Rupal Face beim Aufstieg am Nanga Parbat blockiert. Die Air Zermatt wurde um Unterstützung gebeten. Und so rutschte sie ungewollt in eine Geschichte hinein, deren Ausmass damals noch keinem bewusst war. An einem Treffen für alpines Rettungswesen lernte Gerold den slowenischen Bergler Tomaž Humar dann später persönlich kennen. Die Telefonnummern ausgetauscht, sagte Gerold zu ihm, dass er ihn immer anrufen könne, wenn er in Not sei. «Das hätte ich besser nicht gesagt», meint er lachend.

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Aufgrund der Beteiligung an der erneuen Rettung von Tomaž Humar am Himalaya folgten schliesslich weitere Einsätze in 6000 Meter Höhe. Der Himalaya wurde zu Gerolds zweiter Heimat. Mit der Zeit entstand die Idee, in Nepal eine Rettungsstation aufzubauen und nepalesische Piloten in speziellen Ausbildungsprogrammen in der Schweiz auszubilden. «Swiss Know-how-Transfer» – so beschreibt Gerold stolz, was ihm und der Air Zermatt am Herzen liegt. Heute führen die nepalesischen Piloten Rettungen in den 8000er Bergen bis auf 7000 Meter Höhe eigenständig aus.

Das Wissen und die Erfahrungen an die jüngere Generation weiterzugeben, so wie es Gerold selbst erfahren durfte, ist für den bodenständigen Piloten und CEO ein grosses Anliegen. Eigene Fehler oder Missgeschicke kommuniziert Gerold ganz offen auch gegenüber seinen jungen Piloten, damit sie davon lernen können. «So lernt eine Generation von der anderen und das erarbeitete Know-how bleibt der Air Zermatt erhalten.»

Die persönliche Challenge

Wenn über Zermatt die Motorgeräusche eines Helikopters zu hören sind, dann lauschen drei Personen immer besonders intensiv mit und spähen durchs Fenster zum roten Fleck am Himmel. Gerolds Ehefrau und seine beiden Töchter kennen seine Flugkünste so genau, dass sie wissen, ob er sich gerade in der Luft, beziehungsweise in Gerolds Worten «in der dritten Dimension», befindet oder jemand anders fliegt. Dass in der Familie Biner das Leben intensiver gelebt wird, hängt wohl stark mit Gerolds Beruf zusammen. Das grosse Risiko bei der Ausübung seines Berufs – damit musste man einen Umgang finden. Als Pilot sei einem teils zu wenig bewusst, was es für das Umfeld bedeute, erklärt Gerold. Bei Unfällen und Todesfällen von engen Freunden wird einem das Risiko des Pilotseins dann schmerzlich in Erinnerung gerufen. Als Familie hätten sie daher eine simple Regel etabliert: «Wenn ich am Morgen aus dem Haus gehe, dann gehe ich nie im Streit oder Ärger», erzählt uns Gerold und meint, dass dies eigentlich für jeden gelten sollte, unabhängig vom Beruf.

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Als Pilot und CEO ist kein Tag wie der andere. Ein Wochenende, wie man es normalerweise kennt, gab es bei Gerold seit Jahren nicht mehr – vielmehr geniesst er die Zeit mit seinen Liebsten dann, wenn es seine Berufung zulässt, und so verbringt er sein ganz eigenes Weekend gut und gerne mal unter der Woche. Dennoch sind Gerolds Engagement an diesen verschiedenen Schauplätzen und die Unregelmässigkeit seiner Tätigkeit als Pilot für ein Familienleben schwierige Faktoren geblieben. «In der Familie müssen alle unglaublich flexibel bleiben, sonst würde es nicht funktionieren», meint Gerold. Die beiden Welten seien aber in der Vergangenheit oft aufeinandergeprallt. Bei manchem Familienausflug wurde Gerold kurzerhand für eine Rettung aufgeboten. Man erinnert sich an einen verschneiten Weihnachtsabend in ihrem Ferienhäuschen oberhalb von Zermatt: Dort sass die Familie bei einem gemütlichen Fondue Chinoise, als der Helikopter mit dröhnenden Rotoren landete und Gerold kurz darauf durch den Schnee stapfend Richtung Fluggerät verschwand. Als kleine Revanche für an Versäumnis von Weihnachten liessen sie für Gerold kein Stück Fleisch zurück, erzählt seine Familie schmunzelnd.

«Wenn ich am Morgen aus dem Haus gehe, dann gehe ich nie im Streit oder Ärger»

Humor – das ist ein wichtiger Bestandteil der Familienkultur bei Biners. Zu einer positiven Einstellung soll ein Mensch auch Humor haben. «Das ist gesund!», ruft Gerold lachend. Neben den eher ernsten Themen gibt es auch bei der Familie Biner viel zu lachen und schöne gemeinsame Erinnerungen. Sie trifft sich oft in ihrem holzigen und einfachen Ferienhaus mit direktem Blick auf das Matterhorn. Denn die wunderschöne Bergwelt ist für Gerold nicht nur sein Arbeitsort, sondern genauso sein Zuhause und sein Zufluchtsort für sein persönliches Weekend. Stilsicher hat Gerolds Ehefrau Sabine dort einen gemütlichen Ort zum Verweilen geschaffen. An den Wänden hängen Bilder von Gerolds Vorfahren, die damals schon die Walliser Berge mit Skiern und Wanderschuhen ausgekostet hatten. Die beiden Töchter erinnern sich gerne an die langen Sommerferien, die sie hier verbracht haben. Dass hier oben auch andere Gäste zu Besuch waren, erzählt uns Sabine bei einem Glas Weisswein. Während ihr Mann im Ausland nur wenige Meter vom Felsen entfernt eine Rettung durchführte, kam der Präsident von Kamerun mitsamt Gefolge vor Walliser Bergkulisse in den Genuss der Kochkünste der Gastgeberin Sabine. «Ihnen sei nie langweilig», meint Gerold lachend. Sie würden gemeinsam auf ein ereignisreiches Leben zurückblicken.

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Schon als kleiner Junge hatte Gerold vom Helifliegen geträumt. Bis dieser Traum in Erfüllung ging, musste er aber einige Abzweigungen durchs Leben nehmen.

Berg- und Talfahrt

«Das Auf und Ab der Emotionen ist unglaublich», wird Gerold jetzt nachdenklich. Die ganze Palette an Emotionen, die ein Mensch erfahren könne, erlebe er bei den Rettungsaktionen zigfach im Jahr. Nicht jeder Pilot finde über längere Zeit den Umgang damit. Er selbst habe seinen eigenen Weg damit gefunden: Verdrängung! Nicht, um die Gewichtigkeit des Ereignisses wegzunehmen, sondern um seine Arbeit konstant und fokussiert ausüben zu können. Die Erlebnisse werden in seiner Erinnerung aber nicht gelöscht, sondern, wie Gerold es bildhaft beschreibt, «einzeln wie eine Akte in eine Schublade abgelegt.» Auch farbenprächtige Sonnenuntergänge, wie nur wenige sie sehen, hätten darin Platz. In Momenten der Ruhe widmet sich Gerold jeweils einer Akte, verarbeitet sie und legt sie dann wieder zurück. So sinniert auch Gerold über das Leben und seine Unberechenbarkeit. Sein persönliches Geheimnis, um mit sich im Reinen zu sein: «Eine positive Einstellung und das Beste zu geben.»

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Ausdauernde Konzentration sei der Schlüssel. Über Jahre hinweg müsse diese konstant bleiben. Eine grosse Challenge, aber auch eine Möglichkeit für Gerold, abzuschalten. In diesem Moment sind alle seine Hirnzellen einer Aufgabe unterstellt: dem Fliegen. Kein Gedanke daran, was es sonst noch zu erledigen gibt. Pilot, Arzt und Flughelfer erbringen in den entscheidenden Minuten Höchstleistung. Bergrettungen funktionieren nur im Team – Einzelplayer sind hier fehl am Platz. «Du bist immer nur so gut, wie das schwächste Glied im Team», beschreibt Gerold die enorme Wichtigkeit der Zusammenarbeit im Team bei einer Rettung. Jeder weiss genau, an welche «Standard Procedures» er sich halten muss und für welchen Bereich er Verantwortung übernimmt. Damit die Chemie zwischen den Personen stimmt, wendet Air Zermatt die einfache, aber effektive Methode des gemeinsamen Feierabendbiers im Flughelferstübli an. Es habe immer Platz für etwas Schalk und Lockerheit, sonst wäre der Job mit über 2000 Rettungen im Jahr nicht machbar.

«Egal, welche Abzweigung du nimmst - jeder Weg bringt eine neue Challenge. Das macht das Leben doch so spannend!»
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«Lerne von den Fehlern von anderen. Du lebst nicht lange genug um sie alle selber zu machen.»

Wie das Leben so läuft

Dankbar schaut Gerold auf die letzten 30 Jahre zurück. Auf beinahe jedem Kontinent durfte er in die Lüfte abheben, wobei speziell der Himalaya seine zweite Heimat geworden ist. Im Leben gäbe es immer wieder neue Pläne, meint Gerold und erzählt uns, dass er auch nach seiner Pensionierung in drei Jahren nicht müde sein werde, sich den neuen Herausforderungen des Lebens zu stellen. Und so sagt Gerold zum Abschluss entspannt: «Egal, welche Abzweigung du nimmst – jeder Weg bringt eine neue Challenge. Das macht das Leben doch so spannend!»

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